Haushaltsrede vom 23.04.2022

Haushaltsrede Teil I (Silke Rückert-Urban Fraktionsvorsitzende)

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Stadtverordnete,

selig sei die Stadt genannt, Perle du am Main, so heißt es in der inoffiziellen Seligenstädter Hymne. Und es stimmt. Es lebt sich gut in Seligenstadt. Man wohnt ruhig und doch sehr nah im Ballungsraum Rhein-Main, mit den ganzen Vorzügen, die dieser zu bieten hat. Man genießt das Leben in lebendigen und überschaubaren Ortschaften, hat kurze Wege zu Arbeitsplatzen, ist umgeben van Naherholungsgebieten. Kinderbetreuung und schulische Bildung gibt es in großer Auswahl und in guter Qualität, die gesundheitliche Versorgung der Bürger*innen ist gut und die vielfaltige Vereinslandschaft trägt mit großem Engagement zum sozialen Zusammenhalt und einer hohen Lebensqualität bei.

Dieser, auf den ersten Blick hervorragende Gesamteindruck, um den uns andere Kommunen sicherlich beneiden, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in vielen Bereichen noch sehr großer Handlungsbedarf besteht.

Bei aller Kritik und inhaltlichen Auseinandersetzung, die zu den Haushaltsberatungen folgen wird, möchten wir als Ausdruck des Respekts zu Beginn der Verwaltung danken, in solchen Zeiten einen Haushaltsplan aufzustellen, der ohne Steuererhöhungen auskommt. Dieser Respekt gilt insbesondere der Kämmerei, wie auch den beiden hauptamtlichen Verwaltungschefs.

Die aktuelle Prognose im Vorbericht in Sachen Haushalt, deutet darauf hin, dass Seligenstadt auch in Zukunft guten Zeiten entgegen geht. Zumindest auf den ersten Blick um die anstehenden Herausforderungen, insbesondere Klimaschutz und Energiewende zu meistern, ist ein solider Haushalt auch Verpflichtung in die Zukunft zu investieren. Aber um beim Text unserer Seligenstädter Hymne zu bleiben “Schauen wir uns das Städtchen mal genauer an”

In seiner HH Rede hat der Bürgermeister die Entstehungsgeschichte regelrecht wie einen spannenden Krimi mit Happy End dargestellt. Eigentlich und inhaltlich handelte es sich jedoch eher um ein Drama des Abwartens und Zögern. Die Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer waren ja keine Initiative der Gemeinde, eher wie ein Lottogewinn.

Ist unser Haushalt wirklich so solide? Der Blick in die zurückliegenden Haushaltsjahre zeigt deutlich, dass Seligenstadt die guten Zahlen immer dem außerordentlichen Ergebnis zu verdanken hatte, also überwiegend aus dem Verkauf von städtischen Grundstücken. So ist es auch dieses Jahr. Man könnte es auch als Tafelsilber bezeichnen, das verkauft wird. Aus dem ordentlichen Ergebnis stammen diese positiven Zahlen jedenfalls nicht. Es wird klar, dass wir am Tropf der Landesmittel hängen. Und die Frage die damit einhergeht: was ist und wie geht es weiter, wenn alles an Tafelsilber verscherbelt ist?

Wir haben also einen schleichenden Werteverzehr, denn die Ausweisung neuer Baugebiete, die uns Grundstücke schafft, hat natürliche Grenzen. Früher wird uns aber noch die Erkenntnis oder eher Richtline von höherer Ebene ereilen, die lnnenentwicklung vor der Versiegelung neuer Außenbereiche zu betreiben.

Es müssen unserer Meinung nach andere Felder erschlossen werden aus denen Seligenstadt Einnahmen erzielen kann. Die Rekommunalisierung der Energie wäre da ein Stichwort. Die hätte nicht nur positive ökologische Effekte, sondern auch ökonomische.

Energieversorgung ist eine öffentliche Aufgabe. Nicht zuletzt möchte ich auch in diesem Zusammenhang die Abfall- und Recyclingwirtschaft nennen.

Die aktuelle Weltlage ist fragil. Freiheit und Selbstbestimmung einer jeden Kommune gelangt in den Bereichen Energie und Mobilität an ihre Grenzen. Aber auch beim Schutz vor Naturkatastrophen müssen wir als Stadt gewappnet sein. Wir müssen zumindest in der Lage sein ihre Auswirkungen abzufedern oder anderswo auszugleichen. Auch die Coronapandemie hat ihre Spuren hinterlassen; hier braucht es Konzepte um die Laden- und Einkaufsvielfalt sicherzustellen.

Darüber hinaus fordern wir seit Jahren ein Umdenken hin zu energetischer Unabhängigkeit. Unabhängigkeit bedeutet Freiheit. Insbesondere die Betrachtung der derzeitigen Entwicklungen führt uns vor Augen, in welche Lage uns ihr jahrelanges Zögern und Zaudern manövriert hat. Die rosaroten finanziellen Zukunftsperspektiven des Haushalts, wie Sie diese darstellen, sind reine Makulatur, da sie von den Energie-Mehrkosten aufgefressen werden. Der Ausweg wäre eine konsequente Investition in alternative Energien und somit die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen, auch für die Bürger*innen  dieser Stadt. Sparen, koste es was es wolle, im Energiebereich führt uns über kurz oder lang in eine desolate Lage. Soviel also zum Abwarten des günstigsten Zeitpunkts, den HH aufzustellen. Wir sehen mit Sorge, dass internationale Krisen und ihre Negativfolgen auch vor unserer 23.000 Einwohner Kommune nicht halt machen. Es ist daher unsere Pflicht, hier genauso weitsichtig zu denken und zu handeln, wie auf Landes-, Bundes- und EU Ebene.

Liebe Kolleg*innen: Seligenstadt wäre in der Lage zu investieren. Dieser Haushalt bietet diese Möglichkeit. Und unsere Stadt hatte es dringend nötig. Ich kann es ihnen nicht ersparen darauf hinzuweisen, dass Seligenstadt in Sachen Klimaschutz leider immer noch in einem Dornröschenschlaf liegt. In erschreckender Weise also genau da, wo es die größte Kraftanstrengung bedürfte, um die riesige Herausforderung des Klimawandels zu meistern. Die Uhr tickt unaufhaltsam! Ob Sie das nun einsehen wollen oder nicht. Und die aktuellen Geschehnisse zeigen überdeutlich, dass wir mindestens die letzten 16 Jahre verschlafen haben und wir endlich ins Handeln kommen müssen. Auch wir hier in Seligenstadt müssen endlich aktiv werden um die Freiheit, in der wir alle groß geworden sind und die wir alle genossen haben – und hoffentlich zukünftig auch weiterhin genießen- für die nachfolgenden Generationen zu verteidigen. Das ist jedenfalls unser Anspruch – höchstrichterlich bestätigt! Klimaschutz ist nicht ,,nice to have” sondern ein Grundrecht. Der Klimawandel spart unsere Perle am Main nicht aus. Wir müssen bei den Punkten Klimawandel und Klimaanpassungsmaßnahmen vorankommen und das würden wir gerne mit Ihnen gemeinsam tun. Der Antrag von Ihnen ist da. Seligenstadt investiert konsequent in Klimaschutz.  Lassen sie uns diese Phrase endlich mit Leben füllen.

,,Traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast – das ist wohl das Motto des Klimaschutzbudgets im Vorbericht

Silke Rückert-Urban/Fraktionsvorsitzende

Wenn wir so zurückblicken, zu vorherigen HH Beratungen, wurde vielfach unser Ansinnen abgelehnt die Energiebedarfe der verschiedenen Produkte zu bündeln , um einen besseren Oberblick zu erhalten, welche Energiekosten insgesamt in unserem Haushalt anfallen. Das aber wäre eine Basis zur Ableitung von Einsparungspotentialen und entsprechenden Maßnahmen sowie der Überprüfung der Ergebnisse. Umso überraschter waren wir von dem  Vorstoß, ein Klimaschutzbudget einzurichten. Der eigentliche Antrag der Koalition dazu erfuhr noch während des laufenden Verfahrens einen Einwand von Seiten der Verwaltung. Trotzdem wurde er durchgepeitscht und uns liegt nun diese Auflistung vor.

Dabei wurden mehrere Logikfehler begangen: Wir sehen hier eine Reihe von gewöhnlichen Maßnahmen aufgelistet, die in der Stadt sowieso anstehen würden. Anstatt folgerichtig nur die Differenz zwischen klimafreundlicher und klimaschädlicher Alternative auszurechnen – also zum Beispiel ein besseres Modell bei den Druckern oder bei der Straßenbeleuchtung –  und das in dieser Auflistung festzuhalten, wurden jeweils die Gesamtbeträge zusammenaddiert.

Trotzdem kommt man nur auf 3,25 Mio. € von insgesamt 52 Mio. € Haushaltsvolumen. Also sechs Prozent des Haushalts geben wir in Seligenstadt für ein sehr breit gefasstes Sammelsurium aller Maßnahmen aus, die vorgeblich und auch nur ansatzweise Berührungspunkte mit Klima-, Umwelt- & Naturschutz haben.

Der fatalste Fehler ist aber: Die Maßeinheit für Klimaschutz sind Kilogramm/Tonnen C02- Einsparung und nicht Euro. Wir wissen also gar nicht, ob diese Klimaschutzmaßnahmen überhaupt etwas bringen:

Welche positiven Folgen ergeben sich denn an Einsparungen? Welche Ziele aus dem 246 Seiten langen Klimaschutzkonzept werden damit denn verfolgt und erreicht? Und ist es denn so, dass neue Abfalleimer, die wir anschaffen, auch einen Mehrwert für den Klimaschutz haben? Oder wurden wir nicht auch ohne Klimawandel diese Abfalleimer benötigen? Sie schaffen neue Drucker an, die angeblich energieschonender sind. Jetzt frage ich Sie: gibt es nach so vielen Jahren auf dem Markt überhaupt noch irgendeine energievergeudende Variante? Oder warum wird das komplette Produkt Baumpflege mit 160.000 Euro eingerechnet, obwohl darunter auch die Fällung, also die massive Verschlechterung der Klimabilanz fallt?

Mit 2 Mio. Euro blähen vor allem die Beitrage für den ÖPNV ihr selbst zusammengerechnetes Budget auf. Natürlich eine wichtige Position, die wir aber sowieso bezahlen wurden. Leisten wir denn für das Klima irgendeinen Mehrwert darüber hinaus? Unterstutzen wir irgendwelche Projekte konkreter? Schubsen wir irgendwas genauer an? Wie viele Personen nutzen dank dieser Maßnahmen jetzt vermehrt Bus & Bahn und verzichten auf das Auto? Das sind doch die wichtigen Fragen.

Es zeigt sich also: ihre Auflistung ist ziellos, teilweise nachträglich in ihrem Sinn umgewidmet. Sie orientieren sich dabei voll und ganz ökonomisch und keineswegs ökologisch.

Doch der Gipfel ist, dass Sie Herr Bürgermeister in ihrer Haushaltsrede bemerkten, Sie seien überrascht von dem Betrag, der zusammengekommen ist bei der Aufstellung, was alles für Umwelt- und Klimaschutz in Seligenstadt getan wird. Es freut mich, dass man Sie noch überraschen kann. Aber ist es nicht auch ein deutliches Zeichen dafür, dass die Koordination und das Management im Rathaus bei Klimaschutzbelangen fehlten, wenn selbst der hauptamtliche Bürgermeister nach 7 Jahren im Amt nicht einschätzen kann, was in diesem Sektor überhaupt gemacht wird? Klimaschutz ist in Seligenstadt leider immer noch ein Zufallsprodukt.

Herr Bürgermeister, Sie haben in ihrer HH – Rede mehrfach darauf hingewiesen, dass in Sachen Umwelt- und Klimaschutz durchaus noch mehr möglich gewesen wäre. Da haben sie Recht, es wäre sogar noch viel mehr möglich gewesen.

Es ist also allerhöchste Zeit, den von der Stadtverordnetenversammlung am 14. Oktober 2013 beschlossenen Antrag des Magistrats endlich umzusetzen und eine Person für das Klimaschutzmanagement einzustellen. Es ist peinlich, dass das Jahr für Jahr von Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung beantragt werden muss. Nicht nur, weil der beschlossene Antrag nie aufgehoben wurde, sondern einfach auch, weil die Entwicklung in dieser Frage ganz offensichtlich kein Warten mehr zulässt.

Umwelt und Klimaschutz gehören schon immer zur grünen DNA. Etwas mehr hiervon würde auch Seligenstadt sehr gut zu Gesicht stehen. Wir sind bereit, mit Ihnen zusammen, die richtigen Weichen zu stellen.

Deswegen möchte ich Ihnen folgendes mit auf den Weg geben:

„Das Geheimnis des Könnens liegt im Wollen!“

Vielen Dank!

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Haushaltsrede Teil II (Frederick Kubin Fraktionsvorsitzender)

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Stadtverordneten,

ich kann die Worte meiner Kollegin in der Fraktionsspitze nur aufnehmen und nun etwas konkreter am vorliegenden Haushaltsentwurf referieren, wo das Können, also unsere Möglichkeiten liegen und wo wir das Wollen meist vergeblich im Haushalt suchen.

Wir könnten in Seligenstadt so einiges. Wir haben 16 Millionen Euro an Rücklagen, die Finanzsituation für die kommenden Jahre sieht rosig aus. Doch wir wollen nicht. Wir kreieren durch unser Sparen an falschen Stellen einen enorm hohen Rückstau an Investitionen. Laut Aussage des Bürgermeisters ist der Haushalt auf das Notwendigste beschränkt.

lch muss mich am Anfang direkt am an Sie wenden, liebe CDU-Abgeordneten. Wir haben uns wirklich die Augen gerieben, als wir uns all ihre Haushaltsanträge vom letzten Mal nochmal durchgesehen haben. Wir könnten fast alle 1:1 genauso auch dieses Mal stellen. Da haben Sie sich mit ihren 13 zu 8 Sitzen in der Koalition ja wirklich nicht durchsetzen können.

Während Sie diese Erkenntnis jetzt noch verarbeiten, gehe ich mal auf die Einzelpositionen des Haushalts ein. Das nun folgende Kapitel haben wir überschrieben mit “Verluste durch Ziellosigkeit”.

Die Fähre als wahrscheinlich bekanntestes Beispiel macht 200 – 250.000 €  minus pro Jahr. Wir haben darauf verzichtet, schon in diesem Jahr Mittel für eine Machbarkeitsstudie eines Einhardstegs zu beantragen, weil wir die interfraktionelle Gesprächsrunde Anfang Mai dazu abwarten. Diese Machbarkeitsstudie würde Planungs- Bau- und Folgekosten einer Fuß- und Radbrücke klären, Fördermöglichkeiten aller Ebenen recherchieren, aber vor allem auch Standortvorschläge machen. Die Fahre gehört weiterhin zu Seligenstadt. Doch eine zukunftsgerichtete, dauerhafte Verkehrsanbindung an den Wirtschaftsraum Unterfranken ist sie schon lange nicht mehr und fordert vielmehr den Autoverkehr in der Altstadt zu Lasten von Klima und Sicherheit.

Genauso warten wir die angekündigten Gespräche ab im Bereich sozialer Wohnungsbau, bei dem wir in die gleiche Richtung denken, wie die CDU vor einem Jahr: nämlich Mittel zur Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft bereitzustellen.

lch glaube, es ist gut, dass wir als recht neue Fraktion mal in den Haushalt geschaut haben. Da fallen nämlich Positionen auf, die Sie seit Jahren mit sich rumschleppen. Unsere Bürgerhäuser brauchen jährlich 900.000€ an Aufwendungen, bei nur 67.000€ Einnahmen. Das sind nicht mal 10% Kostendeckungsgrad. Uns sollte allen klar sein, dass man selbst mit Gebührensteigerungen hier nicht annähernd in eine bessere Größenordnung bei der Kostendeckung kommt. Es wird also dringend ein Konzept mit Entwicklungsmaßnahmen benötigt, um weitere Vermarktungs- und Nutzungsmöglichkeiten zu kreieren. Denn die Seligenstädter Bürgerhäuser übernehmen eine wichtige Aufgabe des gesellschaftlichen Miteinanders. Sie sind sozialer Treffpunkt, Veranstaltungszentrum und Aufenthaltsplatz. Sie müssen auch auf Dauer noch finanziert werden können.

Im Dezember 2020 war der Bürgermeister in mehreren Zeitungsaussagen noch guter Dinge, wenn es um den Ausbau des Hans-Memling-Hauses ging. Laut ihm standen noch 650.000 € an Mitteln aus früheren Haushaltsjahren bereit, die auch die kompletten Planungskosten abdecken sollten. Nun, 15 Monate später, sind zwar 175.000 Euro für den Ausbau des Erdgeschosses geflossen, die übrigen zweckgebundenen eingestellten und versprochenen Mittel tauchen jedoch gar nicht mehr auf. Man hat die ehrenamtlich Aktiven und die Mehrheit unserer BürgerInnen, die sich für einen Ausbau als Kultur- und Bildungshaus ausgesprochen hatten, also um rund 450.000 Euro verschaukelt. Das Mindeste ist es nun, 250.000 Euro für die Leistungsphasen 1 bis 3 einzustellen, damit die Ausschreibung für die Planung der Gesamtmaßnahme überhaupt einmal beginnen kann. Je früher die Volkshochschule in die neuen Räume umziehen kann, desto eher kann der extern angemietete Standort aufgegeben werden und Kosten eingespart werden. Auch die Musikschule braucht eine dringende räumliche Erweiterung. Erst mit der Gesamtbewirtschaftung des Gebäudes kann das Konzept auch den vollen Erfolg erzielen, insbesondere in puncto Synergien und Nutzungseinnahmen. Denn es hat sich bereits nach 5 Monaten des Teilbetriebs erwiesen, dass das Haus mehr als kostendeckend betrieben wird.

Klimaschutz –  wir haben es eben schon gehört – das ist in Seligenstadt eher ein Zufallsprodukt. Dabei geht es gar nicht nur abstrakt darum, Tiere und Pflanzenarten zu schützen, sondern es geht ganz konkret darum, uns, unsere Kinder und unsere weiteren Nachfahren vor erhöhten Temperaturen und den daraus folgenden häufiger auftretenden Klimakatastrophen zu beschützen. Klimaschutz ist also Gesundheitsschutz und für uns Menschen ganz eigennützig. Es geht darum, unsere aktuelle Lebensnormalität zu bewahren. Es geht ganz eindeutig um unsere Grundbedürfnisse: Sicherheit und Freiheit.

Um Klimaschutz mit der Priorität anzugehen, die nötig ist, fordern wir neben der Koordination durch einen Klimaschutzmanager eine zusätzliche Stelle im Umweltamt, die wichtige Maßnahmen auch umsetzen kann und sich besonders den Stadtbäumen annimmt.

Im August 2019 haben wir durch die Fall Böe ein ganzes Drittel der Bäume auf Seligenstädter Grund verloren. Dieser Verlust ist nicht ansatzweise wieder ausgeglichen. Auch die im Rahmen von Bebauungsplanen festgelegte Anzahl von Bäumen wird nicht einmal im Ansatz erfüllt (siehe zum Beispiel das Gewerbegebiet Dudenhöfer Straße). Doch zudem macht uns auch der Baumbestand große Sorgen, wie nicht nur die Antworten auf unsere entsprechende Anfrage,  sondern auch die Fällungen der Platanen am Kapellenplatz,  der Linden am Bahnhof und der Freihofplatz- und Marktplatzlinde folgern lassen.

Bei allen laufenden Baumaßnahmen versiegeln wir innerstädtisch weitere Versickerungsflächen. Dass man die Bebauung von 21 Hektar fruchtbarem Ackerboden nicht in der Wetterau kompensieren kann, haben draußen alle verstanden, nur hier drin irgendwie noch nicht. Demnach müssen wir ein besonderes Augenmerk auf die Entsiegelung selbst kleinster Flächen legen. Dafür sollen 50.000 Euro im Haushalt eingestellt werden, mögliche Eingriffsorte haben wir ebenso aufgelistet.

Wenn wir als Stadt mit gutem Vorbild vorangehen, ziehen die Bürgerinnen und Bürger nach. Um diese zu unterstützen, schlagen wir vor, ein Förderprogramm für die private Haus- und Hofbegrünung mit 10.000 € Gesamtvolumen aufzustellen. Ihr beschlossener Antrag, alle zwei Jahre als Feigenblatt eine Einzelperson mit einem Klimaschutzpreis zu prämieren, wird nicht ansatzweise in der Fläche wirken.

Dass die Verkehrsinfrastruktur in  Seligenstadt  weiterhin unbefriedigend ist und ein Umdenken noch nicht mal am Horizont erkennbar ist, lasst sich Tag für Tag in unserer Stadt beobachten. Das zeigen auch die geplanten Investitionen. Wir investieren massiv in den motorisierten Verkehr.

Der Wunsch der Bevölkerung, mehr in den Radverkehr zu investieren, wird gänzlich ignoriert. Allerdings ist eine Kehrtwende in puncto Klimawandel ohne eine Kehrtwende in der Verkehrspolitik nicht möglich. Diese Themen wurden von Ihnen in den letzten Jahren alle nicht angegangen.”

Frederick Kubin/Fraktionsvorsitzender

Wir werden dieses Jahr 1,2 Mio. Euro für Autostraßen und Parken ausgeben, nur lächerliche 1.000 Euro Zuzahlung an das Land für Radverkehrswege. Das steht in keinem Verhältnis. Deshalb sollten dringend Mittel eingestellt werden, um das kommunale Radverkehrskonzept von 2013 nach fast 10 Jahren überhaupt einmal auf Gültigkeit und Aktualität hin zu überprüfen und gegebenenfalls fortzuschreiben. Mit dieser Forderung ist dann immer noch kein Meter Radweg saniert, angelegt oder gebaut, doch zumindest ist für die Verwaltung wieder eine aktuelle Grundlage zum Handeln da.

Weiter wird deutlich, dass das Fördermittelmanagement vorangetrieben werden muss. Hier werden nicht alle Möglichkeiten, die sich den Kommunen bieten, von unserer Verwaltung ausgeschöpft. In den letzten Jahren ist die Anzahl von Förderprogrammen stetig gestiegen. Allerdings ist diese Aufgabe nichts, was die Mitarbeiter der Stadtverwaltung mal so nebenbei miterledigen können. Die Verwendung von Fördermitteln würde unseren Haushalt nachhaltig entlasten und die entsprechende Stelle würde sich allein schon darüber amortisieren.

Liebe Freie Wähler, wir finden es gut, dass wir nun gemeinsam das politische Geschehen kritisch begleiten und dass auch Sie ganz genau hinhören und hinschauen. Wir können uns ihrer Forderung, den Investitionszuschuss für die Basilika Rampe korrekt wie angekündigt darzustellen, nur anschließen und begrüßen auch ausdrücklich die zusätzlichen Mittel für die Umstellung auf LED-Beleuchtung.

Bei der Verbreiterung des Mainradweges muss auch das gemeinsame Miteinander der verschiedenen Verkehrsteilnehmer und der Schutz des Baumbestands bedacht werden, aber davon gehen wir mal aus.

Die räumlichen Planungs- und Entwicklungskosten von 100.000 Euro sollen jedoch Bestand haben und nicht gestrichen werden. Wir hoffen nicht nur, sondern erwarten fest von der neuen Stelle im Amt für Stadtentwicklung, dass nun endlich auch Themen wie Erhaltungssatzungen und Gestaltungssatzungen und die Überarbeitung der Stellplatzsatzung angegangen werden können.

Damit dieses Budget nicht gleich schon zu einem Teil verbraucht ist, setzen wir uns darüber hinaus dafür ein, die Kosten für das Stadtklimagutachten nicht aus diesem allgemeinen Topf zu bezahlen, sondern extra einzustellen.

Wir müssen für den ersten und zweiten Punkt ihres Änderungsantrags daher getrennte Abstimmung fordern.

Auch die SPD betrachtet den Haushalt nun zum ersten Mal seit vielen Jahren aus einer anderen Perspektive. Vielen ihrer Anträge können wir folgen. Die Forderung nach Mitteln für die Digitalisierung der Stadtverwaltung und den Breitbandausbau unterstützen wir zum Beispiel. Auch die Erhöhung der Zuschüsse für die Volkshochschule und die Arbeit der externen Frauenbeauftragten befürworten wir ausdrücklich. Dass endlich ein Standort für eine legal errichtete Pumptrack Strecke gefunden wird und dass der beschriebene Abschnitt der Steinheimer Straße dringend einer Erneuerung bedarf, sehen wir genauso.

Einer externen Fördermittelberatung, dann auch noch mit nur 5.000 € Budget können wir uns nicht anschließen. Da geht unser Antrag einer Stabstelle für Fördermittelmanagement weiter, die sich mit nur einem lukrativen Förderbescheid pro Jahr übrigens selbst amortisiert.

Ein zusätzlicher Wohnmobil Stellplatz auf dem Stadtwerkegelände halten wir für unsinnig. Wir sollten hier lieber daraufhin arbeiten, dass der von der Stadtverwaltung vorgeschlagene städtebauliche Wettbewerb für diese Gelände bald ausgelobt wird und sich um die seit Jahren in der Prüfung der lngenieurbauwerke durchfallende Hoffnungsmauer endlich gekümmert wird.

Ebenso sprechen wir uns gegen befristete Stellen aus, gerade wenn sie wie in ihrer Begründung vor allem der Entwicklung des Westrings dienen sollen. Ist es doch das weitaus größte Baugebiet, das zudem mit am schnellsten durchgeplant werden soll.

Unsere Stadt leistet sich den Luxus an der Planung eines Wohngebiets festzuhalten, das planungstechnisch auch aus dem vergangenen Jahrhundert stammen könnte. Es ist jetzt schon, bevor überhaupt eine Baugrube ausgehoben wurde und ein Stein auf dem Anderen steht, völlig überholt und obsolet. Zukunftsweisende Investitionen in Umwelt- und Klimaschutz wie eine Photovoltaik Pflicht oder eine Pflicht zur Wärmegewinnung aus Luftwärmepumpen sucht man leider, als Vorgabe im Bebauungsplan, vergebens. Und das in Zeiten, in denen uns alle auf tragische Weise unsere Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern vor Augen geführt wird.

Wir merken einfach schon auf der formalen Ebene, dass dieser Haushalt nicht wirkungsorientiert, sondern zahlenorientiert ist. Ganz deutlich haben wir das ja schon am Klimaschutzbudget geschildert. Wir haben irgendwo einen Input an Mitteln, dann werden diese in einem Verwaltungsprozess verwendet und es kommt ein Output raus, von dem man dann im Rathaus stellenweise auch überrascht ist. Aber was ist die Wirkung dieser Maßnahmen? Und was ist vor allem der Impact auf die Bürgerinnen und Bürger und ihre Lebensqualität? All das lasst die Haushaltsaufstellung und -darstellung vermissen.

Es wurde aber auch auf der politischen Ebene des Haushaltes nicht deutlich, in welche Richtung unsere Regierungskoalition in den nächsten Jahren gehen möchte. Was ist ihre Zielrichtung? Ein roter Faden ist nicht erkennbar. Es ist ein großes Stochern im Nebel. Aus den im vergangenen Jahr eingebrachten Anträgen der Regierungskoalition von CDU und FPD war es leider genauso wenig möglich, Rückschlüsse auf gesetzte Ziele – von Visionen möchte ich schon gar nicht sprechen – zu ziehen. Normalerweise würde man bei diesem Mangel jetzt mal in einen Koalitionsvertrag schauen um zu verstehen, was die Marschrichtung ist. Auch das ist nicht möglich, da dieser Vertrag bis heute nirgendwo öffentlich einsehbar ist. Zur Gedankenstütze: 20% der Legislatur sind rum! Es wäre mal so langsam an der Zeit für Transparenz zu sorgen und der Bevölkerung mitzuteilen, was ihre Vorstellungen sind. Die Bürger*lnnen haben hierauf in einer Demokratie ein Anrecht. Oder trauen Sie sich nicht, den Koalitionsvertrag offenzulegen, weil Sie wissen, dass er den meisten Ansprüchen nicht genügt?

Somit drängt sich der Verdacht auf, dass unsere Regierungsverantwortlichen selbst nicht wissen, was sie wollen. Außer vielleicht “weiter so” – was auch die Passivität und das auf die lange Bank schieben bei wichtigen Themenkomplexen nahelegen würde. Wenn es die Regierung nicht weiß, dann muss eben die Opposition dafür Sorge tragen, dass wir mit klarem Blick in die Zukunft sehen. Und somit sagen wir Grünen den Bürgerinnen und Bürgern, was in dieser Stadt passieren muss.

  • Wir setzen uns dafür ein, dass Seligenstadt gesund wächst, Leerstände im lnnenstadtbereich genutzt werden, ohne übermäßig Ackerflächen zu versiegeln.
  • Wir setzen uns ein für eine Stadtentwicklung, die Verkehr reduziert oder vermeidet, indem sie möglichst viele Ziele in der Umgebung der Wohnorte erreichbar macht und zugleich die umweltfreundlichen Verkehrsarten (wie Fußverkehr, Radverkehr, sowie öffentlicher Nahverkehr) fördert.
  • Wir setzen uns dafür ein, beim Wohnungsmangel städtisch zu steuern und entgegenzuwirken, bevor die Gefahr der gesellschaftlichen Spaltung sich noch weiter verschärft.
  • Wir wollen gute Wirtschaftsforderung und eine Konzeptvergabe van Gewerbegrundstücken und keine unterdurchschnittliches Arbeitsplatzangebot.
  • Wir stehen für echte Konsequenz bei der Investition in Klimaschutz und nicht für Taschenspielertricks.

Danke für ihre Aufmerksamkeit.