Kreisel des Grauens – Verkehrspunkt statt Aufenthaltsort

Ende August, High Noon am Kapellenplatzkreisel, mit einem symbolischen Schnitt durchs Flatterband wird dieser von den Stadtchefs im Beisein einiger Magistratsmitglieder und Stadtverordneten für den Verkehr freigegeben. Mit viel Platz für Autos, Radfahrer und Fußgänger eine verkehrstechnische Verbesserung, in Bezug zur Aufenthaltsqualität weder nachhaltig noch klimabewusst.

Hätte die Sonne vom Himmel gebrannt, wie noch einige Wochen zuvor, wäre den Anwesenden bewusst geworden, dass hier zwar ein Verkehrsknotenpunkt umgebaut, der öffentliche Aufenthaltsraum aber nicht mitgestaltet wurde. Der Kern des Problems liegt laut Adina Biemüller, Mitglied im Bau- und Stadtentwicklungsausschuss in der Planung: „Der Umbau des Kapellenplatzes ist keine reine Verkehrsbaumaßnahme. Nein, es geht auch um Stadtplanung. Ziel muss es sein, einen ansprechenden öffentlichen Raum entstehen zu lassen. Es sollte also die Gelegenheit genutzt werden, mehr Grün in die Stadt hineinzubringen. Mehr Bäume, mehr Sträucher, mehr Pflanzen. Die diesjährige Hitze hat doch gezeigt, dass nicht nur jeder Baum wichtig ist.“ Mit dieser Begründung forderten B90/DieGrünen schon bei der Entwurfsplanung 2018 mehr Bäume und mehr Grün.

Leider wurde ihr Änderungsantrag von allen anderen Fraktionen unisono abgelehnt, womit die Zustimmung der Grünen zum Entwurf nicht mehr möglich war. „Wie kann es sein, dass in unserer Stadt scheinbar jeglicher Gestaltungswille abhandengekommen ist?“, fragt Dr. Debertshäuser. „So eine pragmatische – ja fast schon lieblose – „Gestaltung“ an einem der neuralgischen und meist befahrensten Punkte der Stadt ist wahrlich kein Aushängeschild. Da gibt es bessere Beispiele.“ Nicht nur im Zentrum des Kreisels wurde mit Schotter nicht gespart, obwohl allseits bekannt ist, dass dieser den Wildwuchs nicht wirklich verhindert, und auch nicht pflegeleichter ist. Zudem nimmt der Schotter die Hitze auf, es wird kein Wasser gespeichert und es kommt zu keinerlei Verdunstung. In der Folge heizt sich die Umgebung auf, besonders bei dem dort fehlenden Schatten. „Wir kritisieren schon seit geraumer Zeit die Entwicklung, dass Vorgärten immer mehr zugepflastert oder geschottert werden. Nach unserer Überzeugung muss dabei die Stadt selbst Vorbild sein und nicht die negativen Auswirkungen einfach ignorieren und es auch noch falsch vorleben,“ macht Petra Werk, die sich als Ausschussmitglied für Verkehr und Umwelt einbringt, ihrem Ärger Luft. Acht stattliche Bäume mussten vor der Kapelle der Baumaßnahme weichen. Es ist erkennbar, dass die meisten der geplanten Bäume noch gepflanzt werden.

Unverständlich ist, warum ein Standort durch ein überdimensioniertes Straßenschild ersetzt wurde, das dann auch noch teilweise von einem anderen verdeckt wird. Die Zeichen der Zeit werden von den Verantwortlichen nicht erkannt. Vielleicht liegt es auch an der mangelnden Zusammenarbeit oder unterschiedlichen Zuständigkeit von Bau- und Stadtplanungsamt. Einmal mehr zeigt sich, dass wir kein umfassendes Städtebauliches Konzept für alle Stadtteile haben, in das alle Bereiche miteingeschlossen sind, sondern nur einen „Städtebaulichen Rahmenplan zur innerstädtischen Nachverdichtung“ der Kernstadt. Die Grünen befürworten schon lange eine nachhaltige und naturbezogene Stadt- und Verkehrsplanung. Der Überhitzung und der Versiegelung von immer mehr Flächen muss in Zeiten des Klimawandels entschieden gegengearbeitet werden, um wieder ein akzeptables Stadtklima zu erreichen. Bäume sind schnell für Bauvorhaben gefällt, aber Neuanpflanzungen brauchen Zeit und sind ungleich aufwändiger als die Bestandspflege.

Bis sie wieder eine ausreichende Größe und Wirkung erreichen, dauert es Jahrzehnte. Zum Glück sind die Schotterflächen am Kapellenplatz nicht in Beton gegossen, so dass sich „Grünes“ in Zukunft auch dort noch durchsetzen könnte. Vor dem Hintergrund dieser Betrachtungen graust es B90/DieGrünen jedenfalls schon heute vor der für 2021 angekündigten baulichen Umgestaltung des Bahnhofsgeländes und dem weiteren Verlust alter Baumriesen.